Ein rumänischer Straßenhund: mein Freund Baba (Teil 1)
Ein rumänischer Straßenhund: mein Freund Baba (Teil 1)

Ein rumänischer Straßenhund: mein Freund Baba (Teil 1)

Plötzlich war er da.
Als wir zum Spaziergang losgegangen sind, stand der Sprinti (so heißt mein Van) allein auf weiter Flur auf dem Parkplatz. Doch als wir wieder zurück gekommen sind, lag da auf einmal ein Hund…
Nicht direkt neben dem Sprinti, aber schon so nah dran, als wenn er dazu gehören würde. Er war mittelgroß, beige und und hatte viiiel Fell. Seine Ausstrahlung war in sich ruhend und tiefen-entspannt.
Er hat mich augenblicklich tief im Herzen berührt.

Wir sind uns letztes Jahr, als wir gerade mal vier Tage in Rumänien waren, zum ersten Mal begegnet. Das erste Mal, dass ich einen Straßenhund treffe und dann direkt einer, der meine Welt und meine Sichtweise auf verschiedene Weise für immer verändern wird.

Heute möchte ich dir seine Geschichte erzählen.
Und es soll gar nicht so sehr um mich gehen, denn ich bin nur diejenige, die die Geschichte erzählt.
Es soll vor allem um ihn gehen und was wir von ihm lernen können. Ich möchte seine Geschichte erzählen, um dazu beizutragen, dass Hunde besser verstanden werden, besser gesehen werden. Wirklich gesehen werden. Denn es geht darum, dass wir niemanden zu etwas zwingen können, was er nicht will. Selbst dann, wenn wir der Meinung sind, dass es für ihn so besser wäre…

Unser Kennenlernen

Letztes Jahr – wir waren erst seit wenigen Tagen in Rumänien – habe ich in einer Camping App einen schönen Übernachtungsplatz an einem Kloster entdeckt und das klang für mich irgendwie gut… Da wollte ich hin und also sind wir da hingefahren.

Dieser Ort ist besonders, das habe ich schon beim Ankommen gefühlt.

Das eigentliche Klostergelände war über eine kleine Brücke zugänglich, aber davor gab es einen großen, recht ebenen Schotterparkplatz und da habe ich geparkt.
Ich bin direkt mit den Hundis ein Stück spazieren gegangen und zwar den Feldweg entlang in Richtung Straße (s.o.), von der wir gekommen sind. Das Wetter war nicht so angenehm – bewölkt und eher regnerisch, aber ich fand es ganz zauberhaft hier. Es hatte sich auf alle Fälle schon jetzt gelohnt, hierher zu kommen.

Die alte, kleine Holzkirche und das Kloster sahen auch total schön aus und ich hatte vor, am nächsten Morgen hinzugehen und die Kirche zu besichtigen. Wow, so ein toller Ort hier. Ich war echt begeistert.

Als wir zurück vom Spaziergang kamen, bot sich uns folgendes Bild:

Wir haben Besuch am Sprinti.

Ein Straßenhund – offensichtlich.
Der erste, der mir in Rumänien begegnet. Im Dorf, wo wir vorher auf einem kleinen privaten Camping waren, waren auch welche, aber zu denen hatten wir keinen Kontakt, da wir uns nur auf dem Grundstück aufgehalten haben.
Man hört ja sooo viel über die vielen Straßenhunde in Rumänien und nun bin ich hier und kann mir einen eigenen Eindruck verschaffen. Ich werde diesen Augenblick nie vergessen, denn schon jetzt hatte sich dieser strupselige Kerl in mein Herz geschlichen.
Er war ganz ruhig und freundlich und ich bat ihn höflich und respektvoll, ob er für uns Platz machen könnte, damit wir zum Sprinti zurück gehen können. Das hat er auch gemacht und war so süß. Meine drei waren dabei auch recht entspannt.

Wir sind also in den Sprinti eingestiegen, ich habe mich auf den Beifahrersitz gesetzt und ihm etwas zu essen aus dem Fenster hingeworfen, was er auch gut fand und gern genommen hat. Mir ist aufgefallen, dass er insgesamt gut aussieht – etwas strupselig, aber das ist seiner natürlichen Fellbeschaffenheit geschuldet, aber soweit gesund und gut genährt. Das hat mich gefreut.
Was mir aber vor allem aufgefallen ist, dass er einen unglaublich entspannten Eindruck gemacht hat. Er hat so viel Weisheit ausgestrahlt und schien absolut in sich zu ruhen.

Wir haben dann einen ruhigen Abend verbracht und sind auch noch mal Pipi machen gegangen, wobei er wieder ganz höflich auf mein Bitten hin Platz gemacht hat für uns. Er ist aber am Sprinti liegen geblieben und hat auch bei uns übernachtet. Da es wieder angefangen hat, zu regnen, ist er unter den Sprinti gegangen – schlauer Junge. 🙂

So niedlich hat er neben dem Van geschlafen.

Ich bin mir sicher, ich will ihn retten

Als wir am nächsten Tag unsere Morgenrunde gemacht haben, hat sich herausgestellt, dass auf dem Klostergelände (also über die Brücke rüber) eine ganze Gruppe von Hunden lebt. Das hatte ich am vorigen Tag nicht gesehen. Das Zusammentreffen war nicht ganz so glücklich – meiner eigenen Unachtsamkeit geschuldet, aber soweit ist alles gut gegangen.

Baba war natürlich auch noch da und hatte sich inzwischen tief in mein Herz geschlichen. Ich war verliebt, aber sowas von. Ich wollte ihn mitnehmen.

So einfach ging das aber nicht, denn er wollte nicht. Und meine drei waren auch nicht unbedingt dafür (insbesondere Pepe und Lola nicht). Ich habe Rotz und Wasser geheult, weil dieser Hund so verdammt viel in mir auslöst.

Nach einem Telefonat mit einer sehr guten Freundin aus Deutschland zur Besprechung, war ich klarer, was zu tun ist und was eben nicht.
Nach einem weiteren kurzen Gespräch mit Ariana von Lotus Mellow (wo wir vorher waren), die mir versichert hat, dass sich die Mönche vom Kloster um die Hunde kümmern und auch die Leute, die kommen, um die dazugehörige Kirche zu besichtigen (die Rumänen sind ein sehr gläubiges Volk und es kamen tatsächlich recht häufig Besucher vorbei), war ich ganz klar: Es wird nicht so funktionieren, wie ich es mir vorstelle.

Der Mönch, der in der Kirche war, hat mir dann etwas später bestätigt, dass sich um die Hunde gekümmert wird, was mich ein bisschen beruhigt hat. Nichtsdestotrotz habe ich mir so gewünscht, dass Baba Teil unserer Familie wird und es so richtig gut bei uns hat…

Aber wie gesagt: Das war mein Wunsch. Nicht seiner. Er wollte nicht „gerettet“ werden und will es übrigens auch immer noch nicht. Denn: Es geht ihm gut da. Er lebt schon lange dort (Baba ist schon ein älterer Herr) und legt großen Wert darauf, dass das auch so bleibt.
Seine Vorstellung von einem guten Leben ist eine komplett andere, als meine. Nach seinen Maßstäben geht es ihm gut dort, wo er ist.

Unser Lebensstil ist absolut keine Option für ihn. Er würde sich eingesperrt fühlen. Er wäre nicht mehr frei.
Und da einer meiner drei wichtigsten Werte Freiheit ist, kann ich das so, so gut nachempfinden. Wir beide haben natürlich eine ganz unterschiedliche Definition von Freiheit und gleichzeitig verbinden wir in gewisser Weise dieselben Dinge mit diesem Begriff und vor allem mit dem Gefühl, welches dahinter steht.

Also: So who am I… wenn Baba da bleiben möchte, dann bleibt er da natürlich.
Und wenn meine Hunde dagegen sind, ihn zu „adoptieren“, dann tun wir das natürlich auch nicht. Simple as that.
Ich „rette“ ja keinen, der gar nicht gerettet werden will. Das wäre nämlich nichts anderes als egoistisch (weil ich mir das wünsche) und absolut respektlos allen anderen Beteiligten gegenüber.
Tierkommunikation und generell das Zusammenleben mit Hunden ist für mich aber untrennbar mit gegenseitigem Respekt auf Augenhöhe verbunden…

Ich habe eine Kerze für Baba angezündet.

Sein Name: Baba

Im Laufe des Tages habe ich mich mit dem Gedanken nicht nur abgefunden, sondern angefreundet, dass wir diesen Ort ohne ihn verlassen werden.
Angefreundet, denn wir sind Freunde, das ist sicher und zwischen uns ist eine tiefe Verbindung, das ist auch sicher. Angefreundet, da ich mich nicht über seinen Wunsch hinwegsetzen werde und das ist absolut richtig so.
Unter Tränen bin ich eingestiegen und habe den Motor gestartet. Es wurde einmal mehr deutlich, dass er nicht mit möchte:

Danach ist er zwar noch mal zum Sprinti gekommen, um Tschüss zu sagen, aber eben nur um Tschüss zu sagen.

Wir sehen uns wieder…

Bis zu diesem Zeitpunkt wusste ich seinen Namen übrigens noch nicht. Ich habe ihm diesen Namen also nicht gegeben, sondern er hat mir gesagt, dass er so heißt.
Und zwar auf eine ganz zauberhafte Weise Wir sind entlang der Donau weiter gefahren und dort münden ganz, ganz viele kleine Bäche in die große Donau. Er meinte dann irgendwann „Ich heiße so, wie der nächste Bach.“ Okay… ich war total überrascht, denn die bisherigen Bäche hatten zum Teil echt abgefahrene Namen, die für meine Begriffe überhaupt nicht als Name für einen Hund geeignet wären.

Ich war also echt gespannt, wie denn wohl der nächste Bach heißen würde: Baba. Verrückt. Der erste Name, der so simpel und „Hunde-geeignet“ war. Ich also im Geist: „Du heißt also Baba?“ Er hat nur geschmunzelt… So niedlich.

Danke, dass wir uns begegnet sind und ich deine Freundin sein darf. Es erfüllt mich tiefer Demut, dass ich von dir so viel lernen darf. Always in my heart.

Hast du schon mal Kontakt mit einem Straßenhund gehabt? Wenn ja, wie war das für dich?

10 Kommentare

  1. Liebe Anna,
    Baba, der Straßenhund, hats dir wirklich sehr angetan. Ich glaube, alle Wesen – egal welcher Natur – kommunizieren miteinander. Die Gabe, diese Sprache auch zu verstehen, ist dir offensichtlich gegeben. Mich hat besonders berührt, WIE Baba dir seinen Namen verriet 🙂 Als Rätsel – und das hat dir das Abschiednehmen vielleicht ein klein wenig leichter gemacht, weil du dich auf die nächsten Bäche konzentriert hast und deine Trauer über den Abschied so ein klein bisschen loslassen konntest.
    Danke für deine bewegende Geschichte.
    Gruß Gabi

    1. Liebe Gabi, ja, es gibt sie eben – die Hunde, die mich ganz besonders berühren (auch wenn ich alle Hunde mag) und Baba ist definitiv einer davon.
      Du hast Recht, alle Wesen kommunizieren miteinander und diese Gabe wohnt in uns allen (ich bin da also nichts Besonderes). Wir dürfen uns lediglich daran erinnern…
      Ja, er ist auch ein kleiner Schelm und die Art, wie ich seinen Namen erfahren habe, war wirklich lustig und speziell. Vielen Dank für deinen Kommentar und liebe Grüße, Anna

    1. Liebe Susan, vielen Dank für deinen Kommentar. Ja, genau so ist es. Wir setzen im Umgang mit (unseren) Hunden leider viel zu oft das an erster Stelle, was wir wollen bzw. für richtig halten, anstatt das, was der Hund sich wünscht. So sollte es in meiner Welt aber sein… LG, Anna

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