Was uns Wölfe wirklich über Hunde lehren können
Was uns Wölfe wirklich über Hunde lehren können

Was uns Wölfe wirklich über Hunde lehren können

Ich liebe Wölfe. Ich finde sie wunderschön, mystisch und zutiefst faszinierend.
Sie verkörpern für mich Stärke, Gemeinschaftssinn und eine tiefe Verbindung zur Natur.
Und doch wird wohl kein Tier in der Hundewelt so sehr missverstanden wie der Wolf – und das finde ich unfassbar traurig.

Woher die Alphatheorie eigentlich stammt

Die sogenannte Alphatheorie besagt, dass Wölfe eine starre Rangordnung mit einem „Alpha-Wolf“ als Leittier hätten.
Auf Grundlage dieser Theorie entstand die Idee, auch im Mensch-Hund-Gespann müsse der Mensch die Rolle des Rudelführers übernehmen – mit Kontrolle, Dominanz und klarer Unterordnung des Hundes.

Diese Vorstellung stammt aus Beobachtungen von Wölfen, die in Gefangenschaft lebten.
Dort wurden fremde, nicht verwandte Tiere aus unterschiedlichen Rudeln zusammengewürfelt – eine völlig unnatürliche Situation, die zu Spannungen, Kämpfen und sichtbaren Rangordnungen führte.
Was man damals sah, war kein normales Wolfsverhalten, sondern das Ergebnis von Stress, Unsicherheit und Zwang. D. h. dieses Verhalten unterscheidet sich signifikant von dem Verhalten von freilebenden Wölfen und lässt sich nicht auf sie übertragen.

Rudelführer ja – aber anders

Freilebende Wölfe leben ganz anders zusammen.
Sie leben in Familien – Eltern mit ihren Nachkommen. Sie jagen gemeinsam, ziehen ihre Jungen groß, sorgen füreinander. Die Familienoberhäupte sind also Mama und Papa Wolf – wie in einer menschlichen Familie.

Straßenhunde und Hunde

Bei Straßenhunden kann man beobachten, dass sogar nicht verwandte Tiere eine Gemeinschaft bilden, in der sie sich sicher fühlen – auch hier keine Kämpfe um Rangordnung oder Status.

Ein weiterer ganz entscheidender Punkt: Unsere Hunde sind keine Wölfe.
Sie begannen vor mindestens 14.000 Jahren, mit uns zusammen zu leben, haben gelernt, uns zu lesen, mit uns zu sein und in unserer Welt zu leben.
Sie streben nicht nach Dominanz – sie suchen Sicherheit, Orientierung und Verbindung.

Führung ja – aber mit Herz

Ja, Hunde brauchen Führung – aber nicht in Form von Härte oder Unterdrückung.
Sie brauchen Menschen, die ihnen Halt geben, die klar und verlässlich sind, die ihnen helfen, in einer Welt voller Reize und Überforderungen ihren Platz zu finden. Menschen, die ihnen Orientierung geben und für sie da sind, auch und gerade wenn’s mal schwierig wird.
Führung heißt nicht „über“ dem Hund zu stehen – sondern an seiner Seite mit ihm gemeinsam durch’s Leben zu gehen.

Heute gilt die Alphatheorie als wissenschaftlich widerlegt. Leider hält sie sich dennoch hartnäckig und das muss sich ändern.
Verhaltensforscher empfehlen stattdessen eine Beziehung, die auf Vertrauen, Verständnis und positiver Bestärkung basiert.
Denn Druck, Einschüchterung oder körperliche Korrekturen zerstören Vertrauen – während Klarheit, Geduld, echtes Verständnis und Liebe es wachsen lassen.

Verbindung vor Überlegenheit

Lasst uns also Wölfe – als die faszinierenden Ahnen unserer wundervollen Hunde – ehren, ohne sie als Begründung für überholte Trainingsmethoden zu missbrauchen.

Und lasst uns die Verbindung zu unseren Hunden neu denken: Nicht von oben herab, sondern von Herz zu Herz.
Nicht als Rudelführer, sondern als verlässliche Partner auf Augenhöhe.

Denn echte Führung entsteht nicht durch Lautstärke oder Macht, sondern durch Vertrauen.
Und genau das ist es, was unsere Hunde in uns suchen. Denn wir sind schließlich ihre ganze Welt.

Mit einem Wolfsheulen im Ohr, deine Anna

PS: Und wir Menschen sind weder Wölfe, noch Hunde und unsere Hunde wissen das auch sehr wohl, dass wir eben keine Artgenossen sind. Insofern Finger weg, wenn jemand Trainingsmethoden bspw. damit begründen will, dass „Hunde, dass ja untereinander auch so handhaben“, denn das lässt sich so nicht auf das Zusammenleben von Menschen und Hunden übertragen.

Ein Kommentar

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