Leinenruck – muss das sein?
Leinenruck – muss das sein?

Leinenruck – muss das sein?

Wir müssen heute mal Klartext reden: Eine meiner Lieblingskundinnen (alle meine Kundinnen sind Lieblingskundinnen ;-)) hat mir ein Video von einer Hundetrainerin geschickt, in dem mit einem Hund Leinenführigkeit trainiert wird. 
Meine Kundin ist nach der ersten Stunde wohlgemerkt nie wieder dahin gegangen und hat sich auch geweigert, das mit bzw. an ihrem Hund zeigen zu lassen (das war alles vor unserer gemeinsamen Zeit). Absolut richtig und nachvollziehbar… aber lies selbst, was in diesem Video zu sehen ist und wie du die Situation für dich selbst und deinen Hund beurteilst.

Man sieht in dem Video einen von Anfang an zutiefst verunsicherten Hund, der mit einem ihm fremden Menschen interagieren und an der Leine mitkommen soll. Der Hund – nennen wir ihn einfach Snoopy – zeigt von Anfang an deutliches Konfliktverhalten und Meideverhalten, was ganz klar zeigt, dass er sich in dieser Situation unwohl und nicht sicher fühlt. Die Palette an Beschwichtigungssignalen, die Snoopy zeigt, ist ebenfalls breit vertreten. 
Außerdem weiß er nicht, was von ihm überhaupt erwartet bzw. verlangt wird und insofern auch nicht, welches Verhalten erwünscht ist und welches unerwünscht ist.

Sobald Snoopy die Aufgabe (die er wie gesagt nicht verstanden hat, weil er gar keine Chance hatte, sie zu verstehen!, da sie ihm schlichtweg nicht erklärt wurde) falsch macht, wird (wie ich finde: oftmals richtig heftig) an der Leine geruckt, um ihn zu korrigieren – am Halsband. 
Diese Korrektur hat zur Folge, dass Snoopy teilweise gar kein Verhalten mehr zeigt und einfach stehenbleibt. Das ist eine logische Folge, denn wenn ich nicht weiß, WAS ich machen soll, damit nicht geruckt wird, dann mache ich eben aus dieser Unsicherheit heraus gar nichts mehr. Denn das erscheint dann in dem Moment als das Sicherste. Leider sieht der Mensch das anders, denn auch dann ruckt er an der Leine, um zu erreichen, dass Snoopy wieder mitkommt. 
Außerdem wird an der Leine geruckt, wenn Snoopy anfängt zu schnüffeln, was er in dieser Situation als Übersprungshandlung gezeigt hat und nicht aus echtem Interesse an seiner Umwelt. Später darf er schnüffeln und dann aber wieder beim nächsten mal doch nicht und es wird unterbunden, d.h. es ist für den Hund überhaupt nicht vorhersehbar, was erlaubt ist und was nicht und somit nicht, wann es eine Strafe gibt und wann nicht. 
Zwischendurch möchte der Hund zu seinem Menschen zurück (was ja so verständlich ist), auch das wird nicht toleriert und man ahnt es – er wird bestraft, es wird geruckt. 
Schließlich möchte Snoopy gar nicht mehr mitkommen und auch das kann ich so gut verstehen. Warum sollte ich mit einem Menschen mitgehen, der mir ständig wehtut und ich nicht weiß, wie ich das verhindern kann. Und ja, dieser Hund hat dann Angst vor diesem Menschen.
Angeblich hat Snoopy schon längst kapiert, wann es gut ist und wann nicht. NEIN! Das hat er nicht, denn das war mit diesem Aufbau gar nicht möglich für ihn, was unglaublich unfair ist. Das Video endet, indem Snoopy dem gruseligen Menschen doch noch folgt. Das sieht auf den ersten Blick sogar entspannt aus, aber das ist es nicht. Snoopy hat einfach aufgegeben.

Das ganze Video dauert 5 Minuten. Ein absolutes Trauerspiel in meinen Augen. Es.bricht.mir.das.Herz.

Wenn dir jemand erzählt, dass Hundetraining nur mit Strafen funktioniert – glaub ihm nicht. Das ist nicht so. Hundetraining funktioniert sogar besser, also effektiver, wenn wir freundlich zu unseren Hunden sind. Und jeder, der das Gegenteil behauptet, der ist nicht richtig informiert oder möchte das einfach so. Nichts desto trotz gibt es leider immer noch viel zu viele Hundetrainer, die mit solchen Methoden arbeiten (und das auch völlig normal und richtig finden). 
Und ganz ehrlich, selbst wenn es keine andere Möglichkeit geben würde – dann würde ich eine erfinden. Allein aus ethischen Gründen halte ich es milde gesagt für äußerst fragwürdig, dass hier mit Gewalt gearbeitet wird, denn nichts anderes ist das. Ich lehne es für mich komplett ab, mich gewalttätig meinem Hund gegenüber zu verhalten (und Gewalt ist ein durchaus dehnbarer Begriff – vielleicht schreibe ich darüber auch mal etwas). Ich liebe doch meinen Hund und er liebt mich. Wie kann das dann richtig sein? Genau, kann es nicht.

Alles Liebe für euch, Anna

PS: Der Leinenruck ist lediglich ein Beispiel für diverse aversive Methoden, die immer noch viel zu häufig im Hundetraining eingesetzt werden. Ich habe dieses Beispiel stellvertretend eben wegen jenes Videos gewählt.

Ein Kommentar

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